[DSA-Kolumne] 

Anspielungen an die reale Welt in Aventurien

09.09.2012, 03:03 Uhr
DSA-Kolumne
Finder des Verlorenen Schatzes

Vor vielen Jahren als die Welt noch jung war, da war auch ich noch jung und als Teenager geschah es schließlich, dass ich durch Schulfreunde begann dieses lustige Rollenspiel zu spielen. Anfangs war für mich alles daran lustig und auch irgendwie skurril, aber nach und nach gewöhnte ich mich an das „Ritterspielen“.

So ging es viele Jahre und immer waren wir mit unserer etwas infantilen Art des Spiels, die mit Stereotypen und Versatzstücken aus Film und Literatur auskam, zufrieden auch gab es noch nicht so viel über Dere selbst zu wissen. Es gab „das Land des Schwarzen Auges“ und natürlich Abenteuer, aber solche Mühe gaben wir uns damals noch nicht.

Doch irgendwann begannen wir mehr zu wollen, mehr Geschichte, mehr Hintergrund, mehr Psychologie. Zu diesem Zeitpunkt begannen wir das Spiel mit bekannten Meisterpersonen und vorgefertigten Abenteuern. Und zu dieser Zeit war es auch, da tauchte das erste Mal eine Figur in unseren Abenteuern auf die seitdem von uns unvergessen ist und in unserer Gruppe legendär wurde: Moha Jonas.

Dieser Moha Jonas war meist ein Auftraggeber oder Begleiter. Immer an seinem braunen Schlapphut, seiner Umhängetasche und seiner Peitsche erkennbar. Meist war er auf der Suche nach irgendeinem Artefakt oder einem alten echsischen Objekt oder so etwas ähnlichem. Ich vermute jedem Leser dürfte inzwischen aufgefallen sein, dass der gute Moha Jonas große Ähnlichkeit mit einer irdischen (wenn auch fiktionalen) Gestalt besitz, die uns allen dafür bekannt ist, dass sie den Namen des Familienhundes Hundes trägt.

Die Gruppe, in der ich damals spielte und ich, waren begeistert und schon dachte ich, meinem Meister wäre ein geniehafter Gedanke gekommen, nämlich unseren Lieblingsfiguren aus Film und Buch ein neues Leben im DSA-Gewand einzuhauchen. Ich war überrascht, als ich schließlich von eben diesem Meister erfuhr, dass das bereits ein durchaus gängiger Kniff der DSA-Redaktion war und er sich nur davon hatte inspirieren lassen. Und so musste ich erkennen, dass diese DSA-Autoren und -Redakteure offenbar ein anständiges Maß an jugendlichem Humor besaßen, genau wie wir.

Und ich lernte mit jedem offiziellen Abenteuer und jeder Kampagne mehr von diesen augenzwinkernden Anspielungen kennen. Oft waren es offensichtlich Hommagen an geliebte und geschätzte Figuren und natürlich auch echte Personen. Manchmal schienen die Namen auch entlehnt worden zu sein weil die DSA-Figuren den assoziierten Stereotypen so gut entsprachen. Das ein ums andere Mal wirkte es aber auch einfach als hätte schnell ein Name hergemusst oder es hätte den Herrschaften vom DSA an der nötigen Ernsthaftigkeit gemangelt.

Was nun genau die Gründe dafür waren und vermutlich noch immer sind, muss allerdings wohl meist ein Geheimnis bleiben, auch wenn manche Entstehungsgeschichte bereits gelüftet wurde oder deutlich sichtbar ist. Dabei betrifft das Phänomen nicht einmal nur Personennamen sondern kann in vielerlei kulturellen Aspekten und auftauchen.

Wo der Elf die Locken hat

Die ersten Begegnungen mit offiziellen Anleihen dieser Art hatte ich dann als unser Meister (ja, immernoch der von vorher) mit uns in die Phileasson-Kampagne einstieg. Diese alte Abenteurreihe ist ein wahrer Schatz an Zitaten und Anspielungen und es bedurfte keiner großen Kunst sie zu entdecken. Denn schon der Name der Kampagne und ihrer Hauptperson ist Programm.

So galt es also mit Kapitän Asleif Foggwulf Phileasson in nicht mehr als 80 Wochen Aventurien zu umrunden. Im Verlauf der Reise trafen wir auf Pardona die Verderberin der Elfen, wir heuerten auf dem Schiff des einbeinigen und unheimlichen Kapitän Bacha an der in selbstzerstörerischer Raserei Jagd auf den weißen Riesenhai machte. Auf Maraskan buchten wir eine Passage auf dem Schiff des Freibeuters Khodnas Han dem Tiger von Maraskan. Aber sein Name ist nicht nur ein (etwas abgewandeltes) Annagramm von Sandokan (dem Tiger von Malaysia). Das Han darin animierte unseren Meister auch noch, ihn einem gewissen Händler und Schmuggler ähneln zu lassen, der von sich behauptet den Kossalflug in weniger als 12 Parsec geschafft zu haben.

Ab der Hälfte der Kampagne dünnen die Verweise dann allerdings immer mehr aus. Es folgte noch ein Abstecher ins Südmeer bei dem wir uns schließlich in einem Gebiet wiederfanden, das zu großen Teilen von einer gewaltigen Seetangfläche bedeckt war und sich Sargassosee nannte genau wie die irdische Sargassosee im Bermudadreieck.

Nach der Ankunft auf den Inseln im Nebel und Ihrer Hauptinsel Tir Nan Og verblassen meine Erinnerungen an solche Anspielungen allerdings langsam. Ob nun durch die Zeit oder ihr fehlen weiß ich nicht ganz.

Seit den Tagen der Phileasson-Saga Spielte ich noch viele weitere Abenteuer und immer wieder begegneten mir dort weitere alte Freunde oder geliebte Ideen aus irdischen Quellen.

Die Elfe Galandel deren Name mit Sicherheit an Galadriel aus dem „Herrn der Ringe“ angelehnt wurde.

Die Stadt Grangor, ihre große Ähnlichkeit zu den Handelsstädten Venedig und Amsterdam und der illustren Runde von Handelsfamilien die darin leben wie Harti, Kuyfhoff, Liegerfeld, Kaarstett, Wollwert, Wortheim und vielen mehr.

Legendär und märchenhaft schön ist die Hütte Hühnerbein der alten Hexe Achaz.

Schließlich in der „sieben Gezeichneten Kampagne“ tauchte einer meiner Lieblinge auf. Es hat einige Zeit (und einen Hinweis in der Wiki-Aventurica) gebraucht, bis mir beim Namen Abu Terfas Ysasser Shenesach ein Licht aufging, doch inzwischen kann ich mich fragen wen aus der DSA-Redaktion die Liebe zu Streichfett so weit treiben konnte diesen Namen zu erfinden (A Butterfass is a sehr schene Sach).

Doch Abenteuer sind nicht die einzigen Quellen, die diese kleinen Schätze zutage fördern und offenbar wurden die Herren und Damen Autoren auch noch bei einer Vielzahl weiterer Gelegenheiten dazu verlockt ihre Fantasie nicht ganz so weit schweifen zu lassen.

Bei der Benennung von Orten zum Beispiel. Das borbaradianische Transysilien, das nördlich Sewerien, die Oase Hayabeth (das Produkt einer durchwachten Nacht?) oder bei Personen wie Gandolf von Gareth (Autor des Buches „Ringkunde für Anfänger“), Tyros Prahe, Nostria Thamos und Leonardo dem Mechanicus.

Der schöne Schein

Namen jedoch sind nicht alles. Sie sind nicht alles, was eine Welt ausmacht und sie sind bestimmt auch nicht die einzigen Anleihen, die von der DSA-Welt auf unsere verweisen.

Irgendwann im Verlaufe meiner Rollenspielkarriere gelang es mir nämlich endlich mein erstes eigenes Regelwerk, „Die Welt des Schwarzen Auges“, zu erwerben und abermals wurde ich überrascht. Dort drin fanden sich zu dieser Zeit die ersten mir bekannten Abbildungen von Meisterpersonen. Diese Bilder waren natürlich ihrerseits aus Abenteuern entnommen doch da ich zu diesem Zeitpunkt noch nie Spielleiter war, waren sie mir alle unbekannt.

Wie erstaunt war ich doch als ich die Seiten mit den Portraits durchblätterte und erkennen musste, dass Helme Haffax niemand anderes als Malcolm McDowell war. Schlimmer noch die Frisur, der Gesichtsausdruck, die Narbe. Er war Dr. Soran aus "Star Trek 7".

Doch er war nicht der einzige, dem das Charisma einer echten Person zu noch mehr Glanz verhelfen sollte. Im alten Haudegen und verdienten Recken so manchen Feldzuges den man als Cuanu ui Bennain (von Albernia) kennt, erkannte ich niemand geringeren als Marlon Brando.

Noch immer ist mir allerdings etwas schleierhaft wieso eine (meiner Meinung nach) einigermaßen unbedeutende Gestalt wie Irmegunde von Darpatien mit dem Gesicht der großartigen Sigourney Weaver ausgestattet werden musste und große und wichtige andere Gestalten mit semiprofessionellen Darstellungen abgefrühstückt wurden.

Ich könnte auch noch deutlich mehr als die drei erwähnten Figuren benennen in denen ich irdische Gestalten wiedererkenne. Allerdings ist mir im Gespräch mit anderen Spielern und Freunden gesagt worden, Nahema sähe doch gar nicht wie Alanis Morrisett aus und auch bei der Ähnlichkeit von Niam von Bosparan mit Angelica Houston wollte mir keiner so recht zustimmen.

Zu diesem Thema lässt sich auch eine ganze Menge im Internet finden und DSA-Fans aus ganz Deutschland überschlagen sich darin berühmte Persönlichkeiten in den Bildern von Meisterpersonen zu erkennen. Oft konnte ich diese Meinungen teilen, oft jedoch auch nicht.

Daher scheint es mir, dass es einige DSA-Gestalten gibt deren Aussehen mit Absicht und Sorgfalt demjenigen irdischer Vorbilder nachempfunden wurden, bei anderen hingegen mögen die sogenannten Vorbilder vielleicht auch nur als Anregung für die Darstellung gedient haben.

Im Efferd nichts neues

Nachdem ich mich jahrelang dieser netten Zitate und Anspielungen bediente und auch manch eigene erfand wie schon zuvor mein erster Meister, wurde mir nach und nach klar, dass diese Form von Anlehnung, die ich immer für eine Spezialität des Schwarzen Auges hielt, eigentlich nichts wirklich ungewöhnliches in einer Fantasywelt ist. Stattdessen entsteht so eine Fantasywelt ja überhaupt erst im Wechselspiel zwischen Vertrautem (aus der Wirklichkeit Bekanntem) und dem Fremdartigen, Magischen.

So wurde für mich immer deutlicher sichtbar, dass sich beispielsweise im Mittelreich mit seinem Kaisertum (zumindest einigermaßen) die spätmittelalterlichen Feudalstaaten mit ihrem Rittertum und den aus Bürgern, Bauern und Leibeigenen geformten Gesellschaften wiederspiegeln. Daneben finden sich in Aventurien in schönster Eintracht die früh- und hochmittelalterlichen Randstaaten wie Nostria, Andergast und das Dominium Donnerbach. Mit dem sehr renaissancezeitlichen Horasreich enden langsam die irdischen Epochen die sich für ein klassisches Fantasysetting eignen doch damit sind die Kulturellen Zitate auf unserem imaginären Lieblingskontinent mitnichten erschöpft.
Denn all die schönen Kulturen die sich darauf erstrecken und die versuchen uns immer genau den richtigen Hintergrund für jede Fantasystimmung, die wir grade spielerisch erkunden möchten zu bieten, sind Anleihen aus unserer wirklichen (oft europäisch romantisierten) Kulturlandschaft.

Wir erleben Abende wie aus „Tausend und einer Nacht“ in Khunchom und den anderen tulamidischen Stadtstaaten, bestreiten Wüstenkämpfe wie in „Lawrence von Arabien“ oder „Königreich der Himmel“ im Kalifat und erfahren die Schönheit einer Wanderung entlang der Wolga im Bornland.

Ob wir uns dem Flair eines Romans wie „Schwarze Nebel“, eines Films wie „Beowulf“ oder der schrägen Komödie „Erik der Wikinger“ hingeben wollen, die Coolness alter Kung Fu-Filme oder auch die Düsternis von „Apocalypse Now“ auf Maraskan wieder auferstehen lassen oder uns wie Captain Jack Sparrow im „Fluch der Karibik“ als Piraten in der Charyptik durchschlagen. All das sind auch Zitate.

Genauso verhält es sich mit unzähligen gesellschaftlichen Elementen des DSA. Das Pantheon der Zwölfe kennt einen Gott der Meere, einen Gott der Schmiede, eine Göttin der Liebe und viele Parallelen zum griechisch/römischen Pantheon mehr.

Insbesondere die Struktur der zwölfgöttlichen Kirchen mit ihren Klöstern, Dogmen und nicht zuletzt der Inquisition ist jedoch ebenso in großen Stücken vom Christentum (insbesondere dem Katholizismus) entlehnt.

Der Mythos der Theaterritter erinnert in Vielem an die Geheimnisse, die den Templern zugeschrieben werden, während für die horasischen Adlerritter mit hoher Wahrscheinlichkeit die Musketiere des Französischen Königs Pate standen.

Und auch ganz andere Erscheinungen wie die boronischen Redekunst der Rethonik, die al‘anfanische Sklavenmusik der Jammer und die Populärversion davon, auf metallenen Instrumenten gespielt, der Schwermetalljammer machen deutlich, dass bis in die Kleinste Nische des DSA die Schatten irdischer Vorbilder geworfen werden.

Hier steh‘ ich nun ich armer Thorwaler

Es hat mir immer wieder Freude gemacht die Welt des Schwarzen Auges zu erforschen und diese kleinen „Easter Eggs“ darin aufzustöbern und ich hoffe, dass es vielen von euch ähnlich ging oder auch gehen wird, wenn ihr euch auf die Suche nach so etwas macht oder einfach aus Versehen darüber stolpert.

Denn all diese Anagramme und Verweise, die Verbeugungen und Karikaturen gehören zu den Dingen die unserer geliebten DSA-Welt einen augenzwinkernden Humor verleihen. Sie bringen uns immer wieder zum schmunzeln und geben uns auch immer wieder die Gelegenheit Figuren und andere Erscheinungen Aventuriens schön und tiefgründig zu charakterisieren. Sie ermöglichen es aber auch immer wieder diese schnell und ohne viel Federlesen einzuführen und Stimmung aus der Konserve zu erschaffen.

Und wie mein Beispiel zeigt, sind das Mittel, die ebenso jedem Meister (und eigentlich auch Spieler) offenstehen und ihm eine weitere Möglichkeit geben seine Welt einzigartig zu gestalten und ihr mehr Ausdruckskraft zu verleihen.


soviel von

eurem NeuDelli (aka Jester)


Links zum Thema:

Kommentare (0) geschrieben von Jester
Systemmeldung
Es wurden keine Kommentare gefunden
Kommentar hinzufügen
Name: Willst du dich einloggen?
Titel:
Bitte löse diese kleine Rechenaufgabe. Warum? *
Text:
Html ist aus.
FScode ist an.
B
I
U
S
CENTER
FONT
COLOR
SIZE
IMG
URL
@
C
Q
Smilies
:-):-(;-)xD
8-):-P>-(^_^
:-/§fear§yes§roll
§sleep§???§sigh§grrr



* Auf dieser Seite kann jeder einen Kommentar zu einer News abgeben. Leider ist sie dadurch ein beliebtes Ziel von sog. Spam-Bots - speziellen Programmen, die automatisiert und zum Teil massenhaft Links zu anderen Internetseiten platziern. Um das zu verhindern müssen nicht registrierte User eine einfache Rechenaufgabe lösen, die für die meisten Spam-Bots aber nicht lösbar ist. Wenn du nicht jedesmal eine solche Aufgabe lösen möchtest, kannst du dich einfach bei uns registrieren.