„So, und was machen wir jetzt? Nun bin ich dir tatsäschlich 'ier'er gefolgt und kein Stück weiter als züvor!“ Ärgerlich sah Taliesen seinen Kameraden an.
Er kannte ihn noch nicht lange, die beiden waren sich vor den Toren Fasars begegnet, Taliesen war aus dem Westen gekommen, vorbei an Feldern und Weinanbaugebieten, eine sehr grüne Landschaft lag hinter ihm. Zum Glück, die Steppe und Ausläufer des Raschdulswalls hatten ihn eine ganze Weile vorher begleitet. Und jeder Gerber wusste, dass es die besten Kühe nur auf saftigen Wiesen gab!
An einen Zaun gelehnt, um die Mittagshitze ohne irgendwelche Bewegungen zu überstehen, hatten sie sich einander vorgestellt.
Sein Name war Dschender. Dschender, Wanderpriester von Rur und Gror aus Tarschoggyn, Sohn des Jägers Rheojin und der Köchin Wagurasab, zweiter Bruder der Stoffdruckerin Dajida aus Tuzak und des doppelt geschickten Perlentauchers Feruziber aus Uuz'Dornak. Er war hochgewachsen und schwarzhaarig, ein Ziegenbart schmückte sein Kinn.
Taliesen hatte noch nie zuvor einen Maraskaner kennengelernt – und er war sich jetzt schon sicher: Die sind alle verrückt! Allein ihren Namen zu sagen kann einen ganzen Morgen in Anspruch nehmen... Dazu lispelte Dschender so seltsam. Dass diese Leute hier nicht einfach normal sprechen konnten!
Dschender hatte ihm von seiner Reise hierher berichtet, er erzählte ihm von Festum, wo eine Verwandte von ihm lebte, nach einigem Nachdenken war sich Taliesen sicher, dass sie sich nur knapp verfehlt hatten, war er doch am Nachbardorf Kunchôm vorbeigekommen. Oder nicht...?
„Unwichtig, schließlich sind wir jetzt 'ier, um große Taten zu vollbringen und die 'eiligen Kü'e, die es 'ier geben soll, zu begütachten!“
„Die Heiligen Kühe?“ Dschender lachte laut auf. „Wo soll es hier Heilige Kühe geben? Du bist wahrhaft einzigartig!“ spottete er.
„Oui, je sais!“ warf sich Taliesen in die Brust. „Der einsigartigste Gärber Aventüriens! Ich bin einfach der Beste – keiner reicht an mich 'eran!“
Fassungslos von dieser Blindheit für Gut und Böse hatte Dschender ihn angestarrt und den Rest der Zeit schweigend verbracht.
Sie waren durch einige Gassen in Fasar gewandert und standen nun am Rande eines Bazars. Händler reihte sich an Händler, aufgebaute Stände waren mit bunten Markisen abgedeckt, die im leichten Wind flatterten und das Geschrei war unglaublich. Jeder Händler pries seine Waren an, jeder versuchte die Konkurrenz zu übertrumpfen, im Preis, in der Qualität und vor allem in der Lautstärke.
Taliesen wollte sich fast die Ohren zuhalten. „Und nun? Wir brauchen Geld!“ sagte Taliesen, die schreienden Händler übertönend, zu seinem Kameraden.
„Das ist mir klar. Auf deine Gerberfähigkeiten können wir uns gerade nicht verlassen. Wäre auch nicht ratsam. Das stinkt dann genauso wie du!“
Erstaunt sah Taliesen den Priester an. „Was 'ast du gesagt?“ „Du hast mich richtig verstanden. Du stinkst!“
Taliesen lachte laut auf. „Ünsinn! Ich rieche nichts!“
Dschender verdrehte die Augen und murmelte: „Shazak.“ Dieser Horasier war tatsächlich einzigartig! Vor allem was den Geruch anging. Er stank wie eine ganze Gerberei.
Dazu redete er so komisch, mit diesem horasischen Akzent – dass die Leute hier nicht einfach normal sprechen konnten!. Der Wanderpriester war auf Reise gegangen um seinen Glauben von Rur und Gror zu verbreiten – nun bot sich ihm eine erste Gelegenheit.
„Taliesen, wir machen Folgendes: Du holst ein paar der Händler hierher, wir setzen uns in einen Kreis und ich erzähle ihnen und dir von meinen Göttern.“
Taliesen sah ihn zweifelnd an. „Aber das interessiert doch keinen. Ich könnte stattdessen von meinen Kü'en berischten, die sind weitaus interessanter! Einmal, hat mein Stier, es 'ieß Taureau Soleil – also, der Sonnenstier, entdeckt, dass ich meine gegerbten Rüstungen in einem Wassertrog abkühlen muss und da ist dieser üngezogene Stier doch einfach...“
„Tali – geh und trommel die Leute zusammen. Wir brauchen Geld. Und ich werde alle hier Anwesenden vom Glauben Rur und Grors überzeugen!“ warf sich Dschender in die Brust.
„Als ob er das könnte. Dass ich nicht lache. Alle 'ier Versammelten – zu diesem 'Ümbüg zu bekehren...“ murmelte Taliesen, eher zu sich selbst als zu sonst jemandem vor sich hin. Anscheinend hatte er ganz vergessen, dass Dschender neben ihm stand und ihn nun überaus böse ansah.
„Wie hast du meinen Glauben genannt? Es ist der wirklich wahre Glaube, und die Fehlgeleiteten – also du – werden das nicht sofort verstehen. Und nun geh, auf dass ich diese ganzen Leute hier über ihr Schicksal aufklären kann. Ich glaube nicht, dass die so gotteslästerlich wie du sind!“
Verärgert breitete Dschender eine Decke aus, auf die er sich setzte, und sein in allen Regenbogenfarben schillerndes Gewand zurechtrückte, seinen Schnitter neben sich legte und Meditationshaltung annahm, dabei Taliesen nicht aus den Augen ließ. Im Stillen trug er Rur auf, dafür zu sorgen, dass Taliesen NICHT in die Nähe von Kühen käme...
„Dschender! Gück mal! Ein Stier!“ schallte es im nächsten Moment von vorne. Der Wanderpriester verdrehte die Augen. „Rur, das ist eine wahre Prüfung für mich.“
„Gück doch mal, diese wündervollen Äuglein, und das perferkte Fell, er ist einfach von Praios gesegnet – ich glaube, isch 'abe mich verliebt!“
Tatsächlich stand Taliesen verträumt vor einem Stier, der ihn sanftmütig anblickte und gleichgültig weiterkaute.
„Ich werde ihn Lucien nennen! Das ist ein passender Name für so ein 'erausragendes Tier!“
„Tali, er gehört nicht dir.“ Der Gerber schien ihn nicht einmal zu hören.
„Ich glaube, er wäre würdig, dass ich ihn 'eirate. Monsieur, wieviel kostet dieser Stier?“
Dschender schlug sich die Hand vor die Stirn. „Heiraten? Beim Plan von Rur! Ich muss mich beruhigen, ich muss die Schönheit im Leben preisen – sie ist in allem zu finden, entdecke die Schönheit und - Taliesen, was MACHST du da?“ Entsetzt sprang Dschender zurück, als Taliesen dem Händler einen Fausthieb verpasste, der ihn zu Boden schickte, und ungeschickt auf ihn eintrat. „Er – will – mir... meinen Stier.... nicht geben!“
Dschenders Blick fiel auf den Stand des Händlers, wo sich eine Ziege und zwei Hühner vergnügten, zudem eine noch gut gefüllte Geldkasse. Im selben Moment stieß der Händler ein letztes Röcheln aus, als Taliesen ihm den Todesschlag versetzte.
„Möge Rur ihm ein neues Leben schenken, möge Tsa ihm einen neuen Körper geben und er erneut die Schönheit Deres erblicken. Ich nehm die Ziege und das Geld.“ Damit griff sich Dschender den Strick und die Kassette, Taliesen klemmte sich noch ein Huhn unter den Arm und strich dem Stier über die Schnauze. „Lucien, du bist allen Ärger wert! Ich se'e es dir an! Du wirst mich so glücklich machen wie noch niemand züvor!“ rief Taliesen beglückt aus, einige Händler, die von dem Handgemenge nicht viel Notiz genommen hatten, schüttelten den Kopf – ebenso wie Dschender. „Ich frage mich, wer das größere Rindvieh in der Beziehung ist...“ Damit beugte er sich über die blutverschmierte Leiche des Händlers und schloss ihr sanft die Augen.
„Taliesen, komm her!“ rief er streng dem horasischen Gerber zu, der mit unschuldig guckenden blauen Augen den Wanderpriester ansah. „Er 'at aber angefangen!“
„Nein, nicht das. Wir müssen ihm 16 Forderungen und Wünsche auf den Weg mitgeben, auf dass er sich in seinem nächsten Leben verbessert. Also, 16 Forderungen, hilf mir: In deinem nächsten Leben leg dich besser nicht mit einem Gerber an. Lege dich weiterhin nicht mit einem horasischen Gerber an. Und kauf der eine bessere Waffe, dann könntest du ihm eher Paroli bieten. Zudem verkaufe keine Kühe mehr – ist sicherer, wenn Tali in der Nähe ist...“
„Übe deinen rechten Kinn'aken, dann hast du noch bessere Chancen...“
So segneten sie den Händler, und freuten sich darüber, wie gut ihr neues Leben in Fasar begonnen hatte.
Autorin: Fawks