Entwicklertagebuch #3
Datum: 21.10.2009

Das Leveldesign von „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ oder Unsere Spielwelt wurde nicht in sieben Tagen erschaffen

Im dritten von insgesamt 15 Entwicklertagebüchern wollen wir euch die Arbeit unserer Leveldesigner vorstellen. Sie sorgen dafür, dass der Zeitfluss lebendig strömt und nicht halb ausgetrocknet vor sich hin kleckert. Ohne die Arbeit unserer Leveldesign-Abteilung würde unser Fluss der Zeit nichts weiter als eine leere Kulisse sein. Denn sie ist es, die seine Ufer mit buntem Leben füllt.

Unsere Leveldesigner sind die kreative Nahtstelle zwischen den Abteilungen. Von den anderen Abteilungen bekommen sie alle Bausteine, die sie benötigen, um daraus eine Welt zusammenzufügen. Das kann zum Beispiel eine Designvorgabe aus dem Bereich Gamedesign sein oder Figuren aus der Grafik, die sie in ein Level setzen, das sie zuvor gemeinsam mit der Environment-Grafik produziert haben. Deshalb ist es für sie auch enorm wichtig, dass Termine eingehalten werden. Denn wenn sie nicht pünktlich alle notwendigen Elemente geliefert bekommen, gibt es keine Bühne, auf der sie das Spiel stattfinden lassen können.

Doch wie entwickeln unsere Leveldesigner ein solches Level? Bei „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ konnten sie sich gut am großen Fluss selbst entlang hangeln und schauen, welche interessanten Schauplätze es dort gibt, an denen gute Geschichten erzählt werden können. Sie haben sich dann die Orte herausgepickt, die ihnen am besten gefielen oder für die es zum Beispiel noch keinen Stadtplan gab, so dass sie eine Stadt völlig neu kreieren konnten. Daraufhin wurden erst einmal diejenigen, die an dieser Location arbeiten, aufgefordert, Ideen zu sammeln, welche Geschichten man dort erzählen könnte. Das sind dann die sogenannten Sidequests. Einer unserer Leveldesigner vergleicht diese Nebengeschichten gerne mit kleinen Äderchen, die aus dem großen roten Strang hinaus- und manchmal auch wieder hineinführen. Ihr könnt sie euch auch als viele kleine Nebenarme vorstellen, die von unserem großen Fluss der Zeit abgehen. Manchmal sind diese Sidequests aber auch komplett für sich gestellt. Grob geschätzt machen sie etwa 60 Prozent unseres Spiels aus.

Kommen wir nun zu den Locations selbst. Ein gutes Beispiel dafür, wie eine Stadt entworfen wird, ist Nadoret. Da haben unsere Leveldesigner zunächst einmal einen groben Stadtplan gezeichnet und sich überlegt, welche Regionen sie haben wollen. Soll es dort einen Wald geben? Unterschiedliche Stadtteile? Dungeons? Innenräume? Einen Hafen? Nadoret hat natürlich einen Hafen und dementsprechend alles, was eine Hafenstadt braucht. All das wird erst einmal grob in einer Layout-Phase entworfen. Unsere Leveldesigner planen die komplette Landschaft auf dem Papier. So können sie sich überlegen, welche Wege, Orte etc. benötigt werden, um bestimmte Handlungen dort stattfinden zu lassen. Diese Konzeptzeichnung besprechen sie mit unserer Grafik-Abteilung, um das alles in ein 3D-Modell umsetzen zu können. Wenn Letzteres schließlich steht, fangen unsere Leveldesigner an, diese Landschaft langsam mit Leben zu füllen. Sie bauen die Questgeber ein, die Protagonisten, die Gegner, die Dialoge und die verschiedenen technischen Hilfsmittel wie Beleuchtungseffekte oder Trigger, die verschiedene Ereignisse auslösen.

Dabei gibt es eine Klippe, die sowohl unsere Leveldesign-Abteilung als auch unser Bereich Gamedesign immer wieder elegant umschiffen müssen: An den verschiedenen Hauptlocations arbeiten mehrere Leute. Trotzdem möchten wir, dass ein einheitliches „Look and Feel“ erhalten bleibt. Auch sollen die einzelnen, getrennt gebauten Locations am Ende schön miteinander verwoben werden. Wichtig ist uns auch, dass Informationen für den Spieler nicht mehrfach auftauchen: Ist sie an mehreren Orten zu finden, muss sie an einer Stelle herausgenommen und dafür an der anderen noch einmal stärker hervorgehoben werden. Neben solchen Schwierigkeiten gibt es natürlich immer auch mal wieder technische Probleme. Manchmal kann unsere Leveldesign-Abteilung zum Beispiel eine Idee nicht technisch umsetzen. In solchen Fällen müssen sie mit unseren Programmierern gemeinsam nach einer Lösung suchen.

An einer kreativen Nahtstelle zwischen den Abteilungen zu sitzen, verlangt natürlich auch großes schöpferisches Potential. Wie bei allen kreativen Prozessen gibt es auch hier am Anfang ein großes Brainstorming. Und dann geht es ans Detail, so wie wir es euch schon beschrieben haben: Die einzelnen Locations werden den jeweiligen Leveldesignern zugeordnet, die sich Gedanken dazu machen und sich überlegen, welche Geschichten dort erzählt werden können. Das geht immer Hand in Hand mit dem Bereich Gamedesign. Pro Location haben wir an die 50 bis 60 Questideen gesammelt. Davon kommen nur die besten ins Spiel. Wir haben also in dem Sinne immer einen Ideenüberschuss, aus dem wir die passendsten aussuchen, genauer gesagt die, die man auch technisch umsetzen kann. Die bauen unsere Leveldesigner ins Spiel ein.

Bei einer Idee, die im neuen Spiel umgesetzt wird, sind wir besonders auf euer Feedback gespannt. Diejenigen von euch, die die Gold-Edition von Drakensang gespielt haben und dabei Forgrimm in ihrer Party hatten, können sich bestimmt erinnern, dass es dort eine Stelle gibt, wo man mit einem Kapitän über alte Zeiten schwadronieren kann. In dieser Episode gibt es eine Geschichte, über die unser Zwerg partout nicht reden will. Er wird regelrecht sauer, wenn man den Kapitän darauf anspricht. In „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ werdet ihr diese Geschichte selber spielen können und erfahren, warum Forgrimm so schlecht darauf zu sprechen ist. Einzelheiten dazu werden wir hier natürlich nicht ausplaudern. Es soll ja spannend bleiben. Aber eine Kleinigkeit können wir euch verraten, die vielleicht eure Neugierde weckt: Es wird einen Ochsen geben, der sich in ein Tavernenschild verliebt. Und irgendwo bei dieser Liebesgeschichte kommt auch Forgrimm ins Spiel. Egal, ob ihr den DSA-Kosmos wie eure Westentasche kennt oder einfach nur große Forgrimm-Fans seid – diese Episode wird für euch auf jeden Fall ein kleines Highlight darstellen.

Unser konstanter Ideen-Überschuss sorgt auch dafür, dass die Questen abwechslungsreich bleiben, verhindert, dass sich alles wiederholt. Unsere Leveldesigner geben sich die größte Mühe, Geschichten so abwechslungsreich wie möglich zu erzählen und euch mit unterschiedlichen Inhalten zu fordern. So werden wir in „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ viel mehr Rätsel einbauen.
Abwechslung bieten wir euch auch dadurch, dass ihr ein Problem auf unterschiedliche Art und Weise lösen könnt und nicht immer nur auf einen strikten Weg festgelegt seid. Wir haben es zum Beispiel so eingerichtet, dass die verschiedenen Archetypen auf ihre spezifische Art ein Problem angehen und es bewältigen können.

Und damit kommen wir auch zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber Drakensang: In „Am Fluss der Zeit“ gehen wir wesentlich stärker auf die unterschiedlichen Archetypen ein, zwischen denen ihr wählen könnt. Gerade im ersten Drittel ist das neue Spiel sehr stark verzweigt. Euer Erlebnis wird gerade zu Beginn stark davon abhängen, welche Klasse ihr spielt. Es gibt verschiedene Questen, die komplett unabhängig voneinander sind. Diese Stränge spalten die Hauptqueste auf und sind komplett unterschiedlich entworfen.
Ihr werdet merken, dass auch bei vielen Questen eure Heldenwahl Auswirkungen hat. Die Aufgaben, die ihr bekommt, und wie die Figuren im Spiel auf euren Charakter reagieren unterscheiden sich. So werdet ihr das neue Drakensang vielleicht mehr als einmal durchspielen weil ihr neugierig auf die Questen der anderen Klassen seid...

Das Ergebnis: Der Fluss der Zeit ist nicht mehr ganz so lang, aber dafür wesentlich breiter und tiefer. Und es wird sich für euch lohnen, alle seine Untiefen zu erkunden.

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geschrieben von Torgan