[DSA-Kolumne] 

DSA zwischen Bildschirm und Spieltisch

12.08.2012, 12:07 Uhr
DSA-Kolumne
DSA zwischen Bildschirm und Spieltisch


Das erste Kennenlernen der Welt von „Das Schwarze Auge“

Wenn ich mal so zurückblicke und mich daran zurückerinnere wie alles begonnen hat, ist das schon ein merkwürdiges Gefühl. So in etwa, wie eine Reise mit anschließendem Besuch bei seinem eigenen vergangenen Ich. Erst hatte ich mich sehr gesträubt auch nur die Idee eines zwanzigseitigen Würfels zu akzeptieren, inzwischen habe ich ihn lieb gewonnen und schätze ihn als Symbol der schicksalhaften Entscheidungen, doch bis dahin war es ein weiter Weg.

Zu Anfang erschien mir das alles doch etwas arg nerdig. Ich hatte zwar im Teenageralter den „Herr der Ringe“ gelesen und als Kind mit Freude George Lucas‘ „Willow“ oder die Zeichentrickverfilmung von „Das Letze Einhorn“ gesehen, weswegen ich durchaus einen Zugang zu Fantasy hatte, jedoch war das für mich noch kein Grund dieses Hobby ausufern zu lassen. Schließlich sah ich Tolkiens Jahrhundertwerk etwa nicht als triviale Abenteuerkost, sondern als geistreiche Parabel auf den 2. Weltkrieg an, die in Studentenkreise und Hippie-Kommunen ein neues Lebensgefühl symbolisierten. Weswegen ich mich dann doch irgendwann dazu breitschlagen ließ DSA zu spielen, weiß ich selbst nicht mehr so genau. Ob es die vielen Hinweise darauf waren, dass Rollenspiel nicht nur im DSA wie ein gigantischer interaktiver Film funktioniert, bei dem ich selbst eine der Hauptrollen einnehmen konnte oder ob es einfach der Reiz des Unbekannten war, da ich ja schon einiges von „Das Schwarze Auge“ gehört hatte…ich weiß wirklich nicht, was letztlich den Ausschlag gab, aber Fakt war, ich fing an zu spielen und irgendwann auch zu meistern, also selbständig Spielrunden zu leiten.

Es eröffneten sich mir Freiheiten, die mir ein Computer-Rollenspiel nie geben konnte. So gerne ich auch in frühen Tagen die „Eyes of Beholder“-Teile gespielt hatte oder eher auf der Adventure-Seite Guybrush Threepwood dazu verhalf ein mächtiger Pirat zu werden; der Meister am Spieltisch konnte stets dermaßen gut auf meine Bedürfnisse als Spieler eingehen und die Welt dergestalt gut auf mich zuschneiden, sodass ich das Gefühl hatte, dass sich da etwas völlig Neues für mich auftat. Neu war für mich zu, Beispiel die Möglichkeit ein Held zu sein und, dass mein Heldenname in Liedern am Lagerfeuer besungen wurde und, dass ich blutige Schlachten gegen finstere Schergen ausfocht.

Aventurische Stunden am Rechner

Natürlich entdeckte ich auch bald, dass es DSA-Computer-Spiele gab. Die „Nordland-Trilogie“(NLT) war zur Zeit ihres Erscheinens ein Meilenstein in Sachen Computer-RPG’s und kostete mich einige Nachmittage vor dem Bildschirm. Ich war begeistert davon endlich mal nicht mehr darauf warten zu müssen, dass die ganze Rollenspielgruppe sich 5-10 Stunden Zeit nahm um sich am Spieltisch zu versammeln und die Würfel rollen zu lassen. Jetzt konnte ich endlich auch, jenseits von offiziellen Solo-Abenteuern, wie „Nedime – Die Tochter des Kalifen“ , die zwar Spaß machten, denen aber auch irengdwann durchgespielt waren, Aventurien auf eigene Faust erforschen und es dauerte eine ganze Weile bis ich wieder merkte, dass zum Einen der Computer ein weitaus weniger flexiblerer Meister, als der Mensch in der Spielleiterrolle meiner Gruppe war und, dass zum Anderen das komplexe Regelwerk an einigen Stellen vereinfacht und auch verändert werden musste.

Die Jahre gingen dahin. Die NLT blieb ein wahrer Schatz an schönen Computer-RPG-Stimmungen und ich sammelte immer mehr Erfahrungen im direkten Gruppenspiel bei meinen Pen&Paper-Runden. Ich spielte aufregende Abenteuer in den Wäldern des Mittelreichs, deckte arglistige Verschwörungen in Städten wie Gareth oder Punin auf und verlobte mich mit meinem Phex-Geweihten mehr als einmal mit der Schönheit des Dorfes, ohne das es jemals zu einem Traviabund kam. Außerdem wuchsen in so einer Rollenspielgruppe auch Freundschaften heran und wenn man sich in einer anderen Welt einige Male gegenseitig das Leben gerettet hatte, so kann das auch „in der wirklichen Welt“ Bande schmieden, die ein Brunnen voller Erinnerungen bilden, die man gemeinsam in geselliger Runde erfahren hat. Zum Teil sehr intensive Erfahrungen, die, wenn man sich darauf auch einlässt, später zu hoch geschätzten Anekdoten und liebgewonnenen Insidern innerhalb einer kleinen Gemeinschaft werden, die immer wieder beglücken und auch das Kind in einem mal wieder wachrufen können. Irgendwann war bei mir nach vielen „Rollenspiel-Sessions“ am Spieltisch, der Punkt erreicht, das ich nicht mehr nachschlagen musste, welcher der Zwölfe für welches Prinzip stand, auch war mir irgendwann klar, dass ich besser erst dreimal würfelte und nicht bei jedem einzelnen der drei Wurfproben nachsah, ob ich es jetzt geschafft hatte. Bekannte NSC’s wurden mir vertrauter, immer mehr Städtenamen wurden mir ein Begriff und irgendwann begann ich auch das Wesen der aventurischen Magie genauer zu verstehen. Kurz gesagt: Was mir am Anfang noch als zu nerdig erschien, hatte mich voll gepackt und in eine neue Welt gezogen.

Nach der Durststrecke: Endlich neue virtuelle DSA-Spiele

Doch eines war nicht mehr da und das war ein aktuelles DSA-Computerspiel. Dies änderte sich, als „Drakensang“ heraus kam. Wie ein kleines Kind freute ich mich auf die ersten Bilder und wurde nicht enttäuscht. Die Geschichte war packend, ich konnte meinen eigenen Helden erstellen und, was das Tollste war: Ich sah das allererste Mal Aventurien in 3D und es sah gut aus. Die Talente waren jederzeit steigerbar und hatten auch die Namen. „Pflanzenkunde“, beispielsweise, wurde intelligent in die Spielmechanik eingebaut. Die zu erntenden Pflanzen waren erst anwählbar, wenn jemand aus meiner Heldengruppe den erforderlichen Wert hatte, sie auch entdecken zu können. Das ernten selbst wurde dann über eine virtuelle Talentprobe mit drei W20-Zufallswürfen, die der Computer für einen tat, gehandhabt. Zwar merkte ich jetzt noch mehr, wie sehr das DSA-Regelsystem für eine ausgewogene Spielmechanik gekürzt und verändert werden musste. Doch das störte mich nicht. Auch wenn es mir bewusster wurde, kannte ich das Prinzip ja schon. Ein Computer ist kein Mensch und ein Mensch ist kein Computer. Bei einem Computer-RPG kann nicht auf alle meine Wünsche als Spieler direkt eingegangen werden, es sei denn die Entwickler könnten in meinen Kopf gucken und hätten alles bis in letzte Details mit kluger Bedacht vorprogrammiert. Was ja nicht der Fall ist. Auf der anderen Seite kann ein Meister oder eben auch Spielleiter am Tisch nicht halb so multitaskingfähig, wie eine Maschine sein. Fünf Spielern zuhören, nebenbei noch auf Stimmungs- und Spannungsbögen achten, das Regelwerk korrekt abbilden und gleichzeitig den Spielern das Gefühl geben, dass ihre Entscheidungen auch tatsächliche Auswirkungen in der Welt haben, kann schon ganz schön viel Arbeit sein, die alles andere als leicht zu koordinieren ist.

Somit ließ ich meine Mäkeleien, die so hervorragend mit dem DSA einhergehen, sein und genoss mit „Drakensang“ das Eintauchen in ein virtuelles Aventurien nach etwa 12 Jahren der Abstinenz. Es begeisterte mich. Seit den ersten beiden „Gothic“-Teilen hatte mich kein Computer-RPG mehr so lange am Stück am PC gefesselt, dass ich manchmal schon überlegte, ob ich jetzt der Müdigkeit nachgeben und schlafen gehen oder noch etwas weiterspielen wollte. Als dann bei „Am Fluss der Zeit“ noch mehr aus der DSA-Welt berücksichtigt wurde und sich wirklich viel Mühe gegeben wurde dem Spieler mehr Entscheidungsmöglichkeiten im Spiel an die Hand zu geben, war ich hellauf begeistert und nur von der geringen Spielzeit enttäuscht. Talente wie „Etikette“, die im ersten „Drakensang“ auch schon vorhanden waren, aber höchstens in 2-3 Szenen Bedeutung fanden, wurden nun besser eingebunden und fanden auch deutlich häufiger Verwendung. Die Geschichte selbst nahm sich angenehm zurück und war mal nicht die große „Rette-die-Welt“-Story, die ja im Fantasy schon ziemlich intensiv geschröpft wurde. Das Spiel funktionierte im Kleinen und war ohne Frage ein herrlich erfrischender Genre-Vertreter, der sogar zu begeistern wusste und mit dem Add-On „Philleasons Geheimnis“ noch ein episches Metzellevel in einem Wüstensetting und ein paar nette Dialoge dazu erhielt. Mir war klar, dass der 3. Teil der Drakensang-Spiele eine perfekte Symbiose aus dem Besten der ersten beiden Spiele werden würde, doch dazu sollte es nie kommen.

Aventurien geht Online und ist erstmals als Adventure zu spielen

Der Entwickler „Radon Labs“ ging pleite und musste in die Insolvenz, später sollte der Publisher „dtp“ folgen, das Insolvenzverfahren läuft aktuell noch. „Radon Labs“ wurde zu „Big Point Berlin“ und „Drakensang Online“ wurde zur neuen Erfolgsmarke, jedoch ohne DSA-Lizenz. Der Aufschrei der Community war gewiss. Wieso verwendete man bei „Big Point“ weiter den Namen „Drakensang“, wenn das doch eigentlich ein Felsmassiv aus der aventurischen Welt war? Die einen nennen es schlaue Marketing-Strategie, die anderen irreführende Namensbenutzung. Fakt ist, es gab zwei wunderschöne DSA-Spiele aus dem sympathischen Hause Radon Labs, die viel Spaß und Freude bereiteten, was dem Team von damals hoch anzurechnen ist.

Die offizielle Replik ließ nicht lange auf sich warten. Das Berliner Unternehmen „Silver Style“, das ursprünglich den Offline-Titel „DSA: Demonicon“ herausbringen wollte, verließ dieses Projekt und wandte sich einer Online-Variante der DSA-Welt zu, die den Namen „Herokon“ trägt und sich aktuell in der Beta-Phase befindet. Die Entwickler von „Daedalic“ brachten mit „Satinavs Ketten“ einen wirklich schmuckes Adventure in der aventurischen Welt heraus, dessen Hauptkritikpunkte eigentlich nur der Steam-Zwang und die geringe Spielzeit waren. Ansonsten begeisterte die Handlung des jungen Vogelfängers Geron aus Andergast und der Elfe Nuri schon. Die Welt war kunterbunt, aber auch düster. Die Geschichte war wunderschön erzählt und bot sogar eine Reise durch das Orkland bis hoch hinauf in die Hafenstadt Enqui und einem Ende, das einen wahren Showdown liefert. Ob ein weiteres DSA-Adventure aus dem Hause Daedalic zu erwarten ist, ist aktuell nicht bekannt, aber doch sehr zu erhoffen.

Der nächste große DSA-Brocken im virtuellen Gewand erwartet uns aber wohl mit „Demonicon“. Nachdem „Silver Style“ dieses sehr ambitionierte Projekt abgab, nahm sich „Kalypso“ die Lizenz und beauftragte das neu gegründete und hauseigene Unternehmen „Noumena Studios“ mit der Umsetzung des düsteren DSA-Spiels. Es musste praktisch ganz von Null angefangen und alte bereitliegende Ideen verworfen werden und so machten sie sich ans Werk. Als Chefautor wurde der bekannte DSA-Publizist Daniel Heßler gewonnen, der eine epische Geschichte voller Abenteuer und Tragik in den finsteren Schattenlanden entwarf.

Die Zukunft kennt nur Satinav allein…

Wie es nun mit der Zukunft des DSA weitergeht, ob der Lizenzgeber Chromatix mit der Schirmherrschaft von Dr. Stefan Blanck weiter Lizenzen an interessante und ambitionierte Projekte verteilt und zum Beispiel „Satinavs Ketten“ einen Nachfolger erhält oder in Zukunft noch weitere Entwickler mit neuen DSA-Spiele-Ideen beauftragt werden, steht in den Sternen. Für mich, als jemand der sowohl mit DSA am Bildschirm, als auch am Spieltisch groß geworden ist, stirbt die Hoffnung natürlich immer zuletzt. Auch wenn es jeweils eine sehr unterschiedliche Art des Rollenspiels in der DSA-Welt ist, so möchte ich doch in Zukunft weiterhin beides haben: Meinen Held mit Maus oder Gamepad durch Aventurien lotsen und genauso dem Meister am Spieltisch direkt sagen, wie ich dem Ork jetzt genau mit meinem Helden die Fresse polieren möchte. Beides habe ich über die Jahre zu schätzen und lieben gelernt und hoffe da auf gute Entwicklungen in Zukunft.

Euer hangingtree


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