Interview zum Drakensang-Soundtrack mit Tilman Sillescu

Im Rahmen der Games Convention konnten wir in Zusammenarbeit mit DSA-Game.de ein Interview mit Tilman Sillescu dem Lead Composer des Drakensang-Soundtracks vereinbaren. Wir freuen uns euch jetzt hier einen so detaillierten Einblick in die Hintergründe der Musik von Drakensang präsentieren zu können, wie es ihn bisher noch nicht gab.

Wir danken dir für das ausführliche Interview!




Tilman Sillescu
World of Drakensang / DSA-Game: Bitte stelle Dich doch kurz für unsere Leser vor, was tust Du und wie bist Du dazu gekommen? Welche anderen Soundtracks von dir kennen wir schon?

Tilman Sillescu: Ich bin Lead Composer und Mitbegründer der deutschen Firma Dynamedion - wir haben uns auf die Erstellung von Spielemusik-Soundtracks spezialisiert und unter anderem für Spiele wie „Spellforce 1 & 2“, „Stranglehold“, „Anno 1701“, „Die Siedler 6“, „Paraworld“, „Legend – Hand of God“ oder „Die Gilde 2“ die Musik gemacht.
Wie ich dazu gekommen bin; eigentlich habe ich klassische Musik studiert und wollte Musiker werden, später kam dann noch ein Jazz- und Popmusikstudium dazu. Dann war ich etwas orientierungslos; ich habe Gitarre in Dinner- und Gala-Bands gespielt, um ein bisschen Geld zu verdienen – das war eine anstrengende Zeit und auch nicht so mein Ding. Ich habe auch etwas unterrichtet, „Gitarre“ und „Komposition am Computer“ an der Uni Mainz. Dort habe ich Pierre Langer kennen gelernt, der die Idee hatte, gemeinsam Spielemusik zu machen und eine Firma aufzuziehen. Die Idee fand ich schon damals (2001) sehr gut und heute finde ich sie noch besser, denn ich mache beruflich nichts anderes mehr, als Spiele oder Filme zu vertonen, was mir wirklich viel Spaß macht.


WoD / DG: Wie bist Du bei Drakensang an die Komposition herangegangen? Hast Du Dich voher eingelesen oder sogar schon Erfahrungen mit DSA? Welche Unterstützung bekommst Du dabei von den Entwicklern?

Tilman Sillescu: Ich will vorab noch sagen, dass ich nicht ganz allein an der Musik zu Drakensang arbeite. Wir arbeiten oft in kleinen Teams zusammen, weil die Arbeit dadurch effizienter wird und wir uns gegenseitig inspirieren können. In diesem Fall sind am Soundtrack noch meine lieben Kollegen Markus Schmidt und Alexander Röder beteiligt.

Was die Inspiration angeht: Wir haben erstmal die komplette Story von den Entwicklen bekommen und sind die einzelnen Szenarien durchgegangen. Außerdem haben wir eine aktuelle spielbare Version des Spiels, mit der wir die Atmosphäre des Spiels einfangen und außerdem die Wirkung unserer Musikstücke gut testen können.
DSA ist mir natürlich schon vorher ein Begriff gewesen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich die früheren Teile nicht selber gespielt habe. Es ist wirklich eine tolle Welt mit einer riesigen Community und wir sehen es als eine große Chance, an Drakensang mitarbeiten zu können.


WoD / DG: Orientiert Ihr Euch auch an den schon vorhandenen Soundtracks der Pen&Paper-Vorlage und Norlandtrilogie und werden eventuell einige Motive daraus übernommen?

Tilman Sillescu: Wir haben uns mittlerweile fast die ganze vorhandene DSA-Musik angehört, um einen Eindruck zu bekommen. Die Musik zu den bisherigen Teilen hat uns gut gefallen – sie ist gut gemacht für die damalige Zeit, wenn der Sound auch mittlerweile veraltet ist (nämlich sehr auf MIDI-Basis). Genau da wollen wir ansetzen: Beim neuen Soundtrack sollen möglichst viele Instrumente „echt“ sein, d.h. wir spielen Gitarren, Flöten und Trommeln selber ein und benutzen möglichst wenige Samples, nur für die Orchesterklänge. Wir sind, ehrlich gesagt, noch am überlegen, welche Motive aus den vorangegangenen Teilen wir in Drakensang einsetzen können. Es wird auf jeden Fall etwas dabei sein, obwohl wir insgesamt mehr auf neues Material setzen.


WoD / DG: Mit welcher Technik arbeitest Du eigentlich?

Tilman Sillescu: Ich arbeite mit einem Mac Pro 2.66 mit 5 GB RAM und FireWire Audiointerface Presonus FirePod; benutze die großen Sample-Libraries (wie VSL oder SAM), aber auch jede Menge Live-Instrumente, die ich zum Teil selbst einspiele.


WoD / DG: Welche Stilrichtung soll der Soundtrack erhalten? Wird es auch mittelalterliche Klänge und Instrumente zu hören geben?

Tilman Sillescu: Wir haben uns gegen einen reinen groß-orchestralen Soundtrack entschieden, da wir das Gefühl haben, dass das DSA-Setting oft zu intim für pompöse Orchesterklänge ist – es gibt ja schließlich keine epischen Massenschlachten. Wir vermeiden auch, nach amerikanischer Hollywoodmusik zu klingen, denn Drakensang muss für uns klar europäisch klingen. Es gibt da z.B. von Richard Wagner einige ruhige Passagen aus Ouvertüren, die ein tolles mystisches Naturgefühl vermitteln (Nein, nicht der Walkürenritt <img src=" />), etwas von diesem Gefühl versuchen wir, allerdings mit etwas zurückhaltenderer Instrumentierung, ins Spiel einzubringen. Dazu ist es uns ganz wichtig auch mittelalterliche Stilistik mit einfließen zu lassen. Man muss dabei aber vorsichtig sein - dass es sich nicht gleich wie ein Spielmannszug anhört - sondern ein bisschen leiser und filmmusikalischer. Das versuchen wir zu erreichen, indem wir z.B. folkloristische Instrumente wie Flöte, Gitarre und Tamburin kombinieren mit filmisch-orchestralen Klängen. Es gibt allerdings auch einige typische Mittelaltercombo-Stücke, z.B. in manchen Tavernen oder an Dorfplätzen.


WoD / DG: Ist der Soundtrack rein instrumental oder wird es auch Chöre und einzelne Gesangstimmen geben?

Tilman Sillescu: Chöre werden wir nicht verwenden, denn man kommt sonst sehr schnell in einen High-Fantasy-Bereich, der für Drakensang etwas over-the-top wäre. Aber wir werden ein wenig Sologesang dabei haben.



Tilman bei der Arbeit
WoD / DG: Welche Gesamtlänge soll der Soundtrack den ungefähr erreichen? In wie weit habt ihr dieses Ziel schon erreicht?

Tilman Sillescu: Nun, ich denke gut ein Viertel vom Soundtrack ist fertig. Wir haben eine schöne Menümusik, einige Naturmusiken, Dungeon-Musiken und ein paar wichtige Hauptmotive für Locations fertig. Die Gesamtlänge soll gut 2 Stunden betragen – damit haben wir zum Glück einen sehr umfangreichen Soundtrack, denn es gibt kaum etwas Schlimmeres als zuwenig musikalische Abwechslung im Spiel.


WoD / DG: Was ist am Drakensang-Soundtrack anders als im Vergleich zu Deinen bisherigen Arbeiten?

Tilman Sillescu: Ich finde, Drakensang hat eine besonders intensive Welt, in die man richtig eintauchen kann. Das wollen wir mit dem Soundtrack noch verstärken – die Musik soll wirklich dazu beitragen, dass der Spieler das Gefühl hat, etwas zu erleben. Musikalisch neu ist sicherlich der sanfte „Wagner-Touch“ – ansonsten sind wir froh, das das Spiel von der Story her so viel zu bieten hat, da fällt das „sich-hineinversetzen“ von vornherein leichter.


WoD / DG: Wie viel Zeit widmest Du einem Musikstück ungefähr? Wie lange braucht so ein Soundtrack bis er fertig komponiert und produziert ist?

Tilman Sillescu: Puh, das ist wirklich schwer zu sagen – normalerweise brauche ich für ein Stück mit 3 Minuten Länge ungefähr 2-3 volle Arbeitstage. Ab und zu geht es auch schneller, aber manchmal sitzt man auch fast eine Woche an einem Stück.
An einigen Melodien arbeite ich auch über einen längeren Zeitraum quasi nebenbei, denke z.B. in der Straßenbahn sitzend über den Verlauf eines Themas oder die Harmonisierung nach und schreibe schnell eine Änderung auf meinen Notizblock. Tage später irgendwo anders denke ich es dann zu Ende und dann erst haue ich es in den Computer – um zu erkennen, dass ich es noch mal ändern muss. Aber das geht mir vor allem mit wichtigen Hauptthemen so.
Ein kompletter Soundtrack von ungefähr 2 Stunden Länge kann, wenn die Zeit drängt, in 2 Monaten fertig sein, das ist aber nur möglich, wenn man im Team arbeitet und der Soundtrack nicht mit Orchester aufgenommen wird. Ideal ist in jedem Fall, wenn man, wie wir bei Drakensang, sehr früh ins Projekt eingebunden ist – dann kann die Musik wirklich mit dem Spiel mitwachsen, was der Qualität immer gut tut.


WoD / DG: Wie wird der Soundtrack eigentlich später im Spiel eingebunden werden? Passt sich der Soundtrack dynamisch an das Spielgeschehen an?

Tilman Sillescu: Ja, die Musik passt sich an die Situationen an, je nachdem, wohin Du gehst oder was Du erlebst – die Musik reagiert und versucht, die jeweiligen Gefühle zu verstärken. Fast alle Locations haben eine eigene Musik, die sich aber je nach Situation auch verändern kann.


WoD / DG: Und welche Anforderungen ergeben sich dadurch an die Stücke?

Tilman Sillescu: Naja, die Stücke müssen einfach gut aufeinander abgestimmt sein, von den Tonarten her, von der Instrumentation…
Wenn ich z.B. aus einer dunklen Höhle hinaus ins Freie laufe, wechselt zwar die Musik, denn es wird möglicherweise hell und freundlich. Doch der Wechsel darf nicht auf allen musikalischen Ebenen stattfinden, das wäre nicht subtil genug. Daher muss der Soundtrack teilweise sehr organisch ineinander fließen können.


WoD / DG: Hast Du auch manchmal Phasen, in denen Dir rein gar nichts richtig gelingen will?

Tilman Sillescu: Eigentlich „funktioniere“ ich ganz gut als Komponist. Wenn aber die Ideen mal ausbleiben, kann es aber schon passieren, dass ich verzweifle. Das ist wirklich schrecklich, ich liege dann manchmal sogar nachts wach und knoble im Bett an meinen Ideen rum – was meistens auch nichts bringt außer dunkle Ränder unter den Augen.


WoD / DG: Wie viel Beachtung findet so ein Soundtrack-Komponist eigentlich? Bekommst Du schon riesige Berge Fanpost?

Tilman Sillescu: Fanpost? Nö – vielleicht ja jetzt nach dem Interview <img src=" /> …
Es kommen aber oft Demo-CDs von Komponisten, die gerne für uns arbeiten würden, das ist für uns schon Ehre genug. Ansonsten freue ich mich immer, wenn ein Musikstück von mir bei einem Orchesterkonzert aufgeführt wird, wie z.B. bei den Spielemusikkonzerten der GC in Leipzig oder dem „PLAY! A Video Game Symphony“ Konzert im Juli in Stockholm – das sind immer tolle Erfahrungen.
Ansonsten gibt es bisher nur ganz wenige Game-Composer, die wirklich Fanpost bekommen. Aber wenn man das will, sollte man sowieso lieber Rockstar werden.


WoD / DG: Gibt es jemanden, mit dem Du unbedingt mal zusammenarbeiten möchtest?

Tilman Sillescu: Hm, da gibt es einige: Aus der Filmmusik Ennio Morricone, den ich sehr bewundere und von dem ich gerne etwas lernen würde. Aus der Spielemusik würden mich vor allem Jeremy Soule und Bill Brown interessieren. Aber ich arbeite ja jetzt schon mit den tollen Komponisten aus unserem Team zusammen – man soll ja auch nicht maßlos werden <img src=" /> .


WoD / DG: Deine Worte an die Drakensang-Fans dort draußen?

Tilman Sillescu: Freut Euch auf das Spiel und lasst Euch im Wald nicht von Fremden ansprechen…