Entwicklertagebuch #12
Datum: 10.02.2010

Das Autorenteam von „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ oder Der Ton macht die Musik

Vielleicht erinnert ihr euch noch an das erste Entwicklertagebuch. In diesem sprachen wir über die Idee hinter „Drakensang: Am Fluss der Zeit“. Damit aus der Idee eine spannende und runde Geschichte wird, braucht es natürlich Autoren, die dem Ganzen die richtige inhaltliche Form geben. Worin deren Arbeit nun konkret besteht und weshalb sie sich mit der Spielleitung eines klassischen Pen & Paper-Rollenspiels vergleichen lässt, erfahrt ihr im zwölften von insgesamt 15 Entwicklertagebüchern.

Sich die Handlung auszudenken, ist eine Sache, sie zu schreiben, eine ganz andere. Doch wie muss man sich die Textarbeit an einem Computerspiel vorstellen? Schließlich handelt es sich hier nicht um ein Buch, das aus einem einzigen langen Text besteht und sich so runterlesen lässt. Zunächst einmal wird bei Computerspielen zwischen Ingame- und Outgame-Texten unterschieden. Ingame-Texte sind alle Texte, die im Spiel selbst vorkommen. Dazu gehören vor allem die Dialoge, kurze Erzählungen in Schriftrollen und Büchern oder das Questbuch. Unter Outgame-Texten versteht man wiederum Texte außerhalb des Spiels, also das Handbuch etwa, Charakterbeschreibungen für unseren internen Gebrauch oder auch die Drehbücher für Cutscenes.

Jedes Textformat hat seine spezifische Funktion und erfordert deshalb einen eigenen Schreibstil. So muss ein Dialog gleichermaßen informativ und unterhaltend sein, die Erzählung in einer Schriftrolle stimmungsvoll und das Questbuch kurz und prägnant. Hinzu kommt, dass die Spielgewohnheiten sehr verschieden sind. Einige von euch wollen sich beispielsweise nicht lange mit dem Lesen von Schriftrollen und Büchern aufhalten, um den Spielfluss nicht zu unterbrechen. Andere hingegen haben den Anspruch, jedes Schriftstück zu finden und alles zu erfahren, was sich in Erfahrung bringen lässt. Auch dies muss von unseren Autoren berücksichtigt werden. Darum ist es wichtig, dass Texte wie die in den Schriftrollen nicht an die Hauptquest geknüpft sind. Sie sollen stattdessen, Atmosphäre erzeugen und Hintergründe beleuchten.

Neue Herausforderungen kamen mit der Vollvertonung auf unsere Autoren zu. Da nun sämtliche Dialoge gesprochen werden, durfte inhaltlich nicht zu sehr ins Detail gegangen werden. Zudem funktionieren gesprochene Texte einfach anders als gelesene. Die Art und Weise, wie man etwas sagt, kann den Sinn eines Satzes schon einmal auf den Kopf stellen. Deshalb vermerken unsere Autoren direkt in Regieanweisungen, welche Tonlage die Sprecher treffen müssen, damit der Satz so klingt, wie er klingen soll – ob freundlich oder bösartig, energisch oder zögerlich, neckisch oder ernsthaft.

Neben reichlich Fantasie und dem handwerklichen Geschick besitzen unsere Autoren auch Organisationstalent. Schließlich müssen sie sich gut untereinander absprechen und stets darüber im Bilde sein, woran die anderen gerade schreiben. Bei einem textlich so komplexen Spiel wie „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ gibt es immer mal wieder inhaltliche Veränderungen, sodass man schnell den Überblick verlieren kann. Unsere Autoren tauschen sich daher regelmäßig aus und gleichen die unterschiedlichen Charaktere und Locations miteinander ab, was obendrein den Vorteil hat, dass sie sich gegenseitig inspirieren und ein Maximum an kreativer Vielfalt erzeugen. In gewisser Weise übernehmen unsere Autoren also die Rolle des Spielleiters, da sie nicht nur die Geschichte schreiben, sondern sie auch zusammenhalten.

Natürlich ist es notwendig, auch mit den anderen Abteilungen wie dem Level- oder dem Environment-Design eng zusammenzuarbeiten. Denn bei aller künstlerischen Freiheit gilt es immer, die technische Umsetzbarkeit zu beachten. Allerdings geht es nicht allein darum zu klären, was möglich ist und was nicht. Vielmehr machen die verschiedenen Departments Vorschläge, die dazu beitragen, dass ein schöpferischer Kreislauf entsteht. So kann es vorkommen, dass das Environment-Design auf eine aus DSA-historischer Sicht relevante oder einfach nur hübsche Landschaft hinweisen will. Unsere Autoren steuern dann einen Text dazu bei, damit ihr im fertigen Spiel diesen Anblick auch wirklich nicht verpasst.

Apropos DSA: Unsere Autoren recherchieren natürlich gründlich, bevor sie bereits vorhandene Charaktere verwenden oder sich auf bestimmte Ereignisse in der DSA-Welt beziehen. Nehmen wir beispielsweise die Figur des paranoiden Magiers Rakorium: Ehe sie anfangen, diesen Charakter zu schreiben, schauen sie sich an, wie die DSA-Autoren ihn umgesetzt haben, mit welchen Eigenschaften sie ihn ausgestattet und welches Vokabular sie ihm gegeben haben. Rakorium etwa ist ein liebenswürdiger, aber sehr verwirrter Zeitgenosse, der sämtliche Zaubersprüche verkehrt spricht und jeden Menschen, Elfen oder Zwerg mit Nottel, dem Namen seines Assistenten, anredet.

Obwohl unsere Autoren selbst große DSA-Fans sind und über viel Erfahrung in der Pen & Paper-Variante verfügen, stehen wir bei „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ auch in engem Kontakt mit der DSA-Redaktion. Eine Reihe von DSA-Redakteuren und -Autoren achtet nicht nur darauf, dass Namen, Jahreszahlen usw. nicht durcheinander geraten, sondern schreibt selbst die eine oder andere Quest bzw. den einen oder anderen Ingame-Text. Durch den ständigen Dialog mit ihnen entsteht auch hier ein interessanter Gedankenaustausch, der sich für das Spiel und die Geschichte als äußerst fruchtbar erweist.

Klar ist: Die komplexe DSA-Welt, die über viele Jahren gewachsen ist und aus unzähligen Seiten Story und Regelwerk besteht, kann nicht ganz einfach in einem Computerspiel umgesetzt werden. Umso erfreulicher ist es für uns, dass wir bei unserer Arbeit immer wieder Mut zugesprochen bekommen – von der DSA-Redaktion, aber auch von euch. Denn so haben wir das Gefühl, dass wir zur lebendigen DSA-Welt beitragen.

Mögen auf dem Fluss von DSA auch in Zukunft nicht nur wir, sondern auch die Spieler gerne fahren und ihre Abenteuer auch mit Hilfe der Regelbücher weiter weben!

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geschrieben von SpyceV