Entwicklertagebuch #2
Datum: 08.10.2009

Die Preproduktion von “Am Fluss der Zeit” oder Bevor Kladdis laufen lernt

Im zweiten von insgesamt 15 Entwicklertagebüchern wollen wir euch die Arbeit an der Preproduktion vorstellen. In dieser Phase werden die Grundlagen des Spiels festgelegt und alle grundlegenden Entscheidungen getroffen. Außerdem verraten wir euch, was ein Bildschirmhintergrund so alles bewegen kann.

Wenn ihr durch die Büros der Radon Labs laufen und die Monitore betrachten könntet, würdet ihr eine interessante Entdeckung machen: Fast alle haben denselben Hintergrund. Auf ihm ist ein Gemälde zu sehen, auf dem Forgrimm Kladdis als Kleinkind auf dem Arm hält. Kladdis zupft den Zwerg am Bart. Schaut euch mal im Spielerhaus in Ferdok um, auch dort hängt im Spiel dieses Bild. Dahinter verbirgt sich die Entstehungsgeschichte von Drakensang Am Fluss der Zeit. Eigentlich aus purem Zufall für den ersten Teil entstanden, wurde dieses Bild für uns zur zündenden Idee für die Geschichte von Drakensang: Am Fluss der Zeit. Der Fluss der Zeit fließt rückwärts für den Betrachter, nimmt ihn zurück in das Geschehen vor „Drakensang“. Dieses Bild hat den Funken für unsere neue Geschichte gezündet, daraus entwickelte sich die Idee heraus zu finden wie Kladdis in die Gruppe kam und wie sich die drei Männer Ardo, Forgrimm und Cuano kennen lernten.
Das Bild entstand als wir Hintergrundgeschichten für die Figuren brauchten. Bei einem Brainstorming entstand die Idee zu dem Gemälde; zum Glück hat unser Lead Character Artist es dann irgendwie noch geschafft, dieses Bild zu malen. Es ist uns wirklich fast in letzter Minute eingefallen. Erst hatten drei von uns das Bild als Desktop-Hintergrund. Bald ganz viele Kollegen an und meinten: 'Oh, das will ich auch haben! Das ist ja mal toll!'. Wir haben uns dann gedacht, dass das, was im Kleinen so gut klappt, ja vielleicht auch im Großen gut funktionieren könnte. Aber dazu kommen wir später noch einmal.

Für unsere Arbeit spielt die enge Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das fängt bei der Preproduktion an. Ein kleines Team aus Game-, Level- und Character-Designern setzt sich zusammen und überlegt gemeinsam: Welche Story liegt dem Ganzen zugrunde? Welche Features könnten eingebaut werden? Wenn dann schließlich die Fundamente gelegt sind, wird das gesamte Planungsteam einbezogen das den späteren Prozess begleitet. Das alles muss sehr schnell gehen. Meistens ist das eine Sache von zwei Tagen. Dann kommt das Grobkonzept. Da werden die Rahmenbedingungen geregelt und festgelegt was, wie umgesetzt werden soll. Eigentlich sind in dem Grobkonzept schon alle Sachen aufgeführt, die später auch in dem Spiel erscheinen: Schauplatz, Locations, ungefähre Handlungszeit und Anzahl der Charaktere. Auf das Grobkonzept folgt das Feinkonzept: Dort werden schon die einzelnen Abteilungen einbezogen und Details festgelegt. Danach wird gemeinsam mit dem Projektmanagement ein Zeitplan gemacht und sobald alle Unklarheiten ausgeräumt sind, fangen unsere Gamedesigner an das Gamedesign-Dokument (GDD wie wir das liebevoll nennen) – zu schreiben. Auch das GDD ist dem Fluss der Zeit unterworfen. Es verändert sich ständig während des Entwicklungsprozesses. Alle Spielelemente die neu dazu kommen oder sich ändern werden hier eingetragen. Neben dem GDD haben wir eine Fortschrittstabelle in der alle Charaktere, Zaubersprüche, Monster, Items, Waffen und sonstigen Spielbestandteile erfasst sind. Fertige Teile werden abgehakt, so dass wir dort immer den aktuellen Stand unseres ablesen können.

Die Story selbst ist im wahren Sinne des Wortes eine Geschichte für sich. Sie wird von uns zunächst sehr grob konzipiert. Anschließend muss der Lizenzgeber, der über die DSA-Welt wacht, sie absegnen. Der gleicht dann die Story mit der DSA-Chefredaktion ab. Von dort kommen Anmerkungen, die später von unseren Autoren bearbeitet werden. Die müssen darauf achten, dass das Ganze nach der Bearbeitung immer noch technisch umsetzbar ist. Dann wiederholt sich der Kreis: Lizenzgeber, Chefredaktion, Radon Labs. Bei „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ war glücklicherweise nur ein solcher Durchgang nötig, da sich unsere Autoren hervorragend in der Welt des Schwarzen Auges auskennen. Wichtig ist auch, dass die die Story von mehreren Leuten zusammen erdacht wird und nicht von einem alleine. Dadurch ist sie ständig konstruktiver Kritik unterworfen und bleibt vor allem nachvollziehbar und realisierbar.

Aber nun zurück zu dem Bild von Forgrimm und Kladdis. Die Sache mit dem Bildschirmhintergrund hat uns eines gezeigt: Bei der Entwicklung der Story müssen die Charaktere eine große Rolle spielen - darum haben wir sie in den Vordergrund gestellt. Die Geschichte entwickelt sich um sie herum und nicht umgekehrt. Dabei haben wir uns einmal mehr auch von euren Wünschen leiten lassen. Wir haben intensiv die Spiel-Foren gewälzt. Und auch dort haben wir gelesen, was euch wichtig ist: Ihr wollt Forgrimm! Ihr wollt wissen, was vor „Drakensang“ war, ihr wollt spannende Geschichten in Aventurien. Natürlich haben wir auch eure Verbesserungsvorschläge berücksichtigt. Und das hat dem Spiel einiges gebracht.

Wir haben diesmal den großen Vorteil, dass wir nicht bei Null anfangen müssen. Im Lauf der Entwicklung von „Drakensang“ haben wir einen reichen Fundus an Ideen und Erfahrungen angesammelt, auf den wir jederzeit zugreifen können. So bleibt uns genügend Raum und Zeit für die Feinarbeiten, um uns von unserem „Fluss der Zeit“ immer weiter vorantreiben zu lassen und auch neue unbekannte Ufer zu erforschen. Denn wir möchten die Reise zurück auf diesem Fluss für euch zu einem einzigartigen, spannenden und vielseitigen Erlebnis machen.

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geschrieben von Torgan