Entwicklertagebuch #4
Datum: 04.11.2009

Das technische Gamedesign von „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ oder Die Würfel fallen unsichtbar

Im vierten von insgesamt 15 Entwicklertagebüchern wollen wir euch die Arbeit unserer technischen Gamedesigner vorstellen. Sie sind zuständig für die Spielwelt und die Regeln und Systeme, die in ihr gelten. So geht es nicht zuletzt auf sie zurück, dass es den Fluss der Zeit überhaupt gibt und ihr eure Abenteuer an seinen Ufern und nicht in irgendwelchen fernen Galaxien besteht.

Grundlage für das Setting in unserem Spiel ist natürlich der aus dem gleichnamigen Pen & Paper-Rollenspiel bekannte und beliebte DSA-Kosmos. Dadurch steht uns ein komplettes Rollenspielsystem als Hintergrund zur Verfügung, auf das wir unsere Spielwelt aufbauen können. Das birgt allerdings auch gewisse Schwierigkeiten, denn es ist nicht möglich, Regeln aus einem Pen & Paper-Rollenspiel eins zu eins auf ein PC-Spiel zu übertragen. Bei „Drakensang“ hatten wir das zunächst noch versucht, mussten jedoch sehr schnell einsehen, dass das nicht geht, denn Computerspiele funktionieren sowohl vom Tempo als auch von der Interaktion her grundlegend anders.

Und hier treten unsere technischen Gamedesigner auf den Plan. Sie sind dafür zuständig, die DSA-Regeln so anzupassen und zu optimieren, dass sie computerspieltauglich sind. Das vielleicht symbolischste Beispiel einer solchen Abwandlung: Der Computer wird euer Spielleiter. Er würfelt sogar für euch, und zwar versteckt im Hintergrund. Selbst die Würfelergebnisse bleiben verdeckt und werden euch nur auf ausdrücklichen Wunsch angezeigt, wenn ihr zu denen gehört, die das gerne wissen möchten. Diejenigen unter euch jedoch, die am liebsten einfach nur spielen und eine Geschichte erleben wollen, ohne zu viel über die Mechanismen im Hintergrund zu erfahren, können das ungehindert tun.

Eine andere wichtige Anpassung an PC-Verhältnisse stellt auch die Änderung bei der Regenerationszeit dar. So haben sich unsere technischen Gamedesigner für bestimmte Götter Mirakel ausgesucht, die einige Archetypen lernen können. Die Regenerationszeit dieser Kraft kann jedoch nicht einfach so ablaufen wie ihr es von der DSA-Welt gewohnt seid. Dort dauert die Regeneration Wochen, wenn nicht gar Monate, wenn man ein richtig großes Wunder gewirkt hat. Das konnten und wollten wir euch nicht zumuten, denn es hätte für euch bedeutet, dass ihr nur wenige Male im ganzen Spiel dieses Wunder hättet wirken können. Deshalb läuft diese Regeneration in unserem Spiel wesentlich schneller ab.

Auch bei der Generierung der Charaktere konnte unsere Abteilung technisches Gamedesign nicht einfach eins zu eins die Pen & Paper-Rollenspielsystematik übernehmen. So viele Werte müssten berechnet und beachtet werden, wenn der Spieler seine Helden einschätzt, steigert oder versucht, die Herausforderungen zu meistern – in diesem Sinne ist DSA 4 für ein Computerspiel viel zu komplex. Selbst erfahrene langjährige Spieler bräuchten mindestens zwei bis drei Stunden alleine für die Ersterschaffung eines Charakters. Darum waren die Charaktere im ersten Teil von „Drakensang“ nahezu komplett ausgestaltet und konnten kaum verändert werden, da der Fokus mehr auf dem Spielerlebnis selbst liegen sollte. Das hatte den Vorteil, dass ihr euch für dieses Spiel einfach einen der Archetypen auswählen konntet. Mit dieser Figur konntet ihr, so wie sie war, anfangen zu spielen. Ihr musstet sie nicht ausrüsten, musstet keine Punkte verteilen – ihr musstet generell keinen Gedanken daran verschwenden, ob ihr auch alles richtig gemacht hattet und euer Charakter, so wie ihr ihn ausgestattet hattet, dem Spiel gewachsen war. Die Archetypen im Vorgänger waren also einfach so ausgerüstet, dass das Spiel mit ihnen Spaß machte. Damit wollten wir auch die Einstiegsbarriere für Neulinge so niedrig wie möglich halten.

Nun kam jedoch von eurer Seite einige Kritik, was die sehr eingeschränkten Möglichkeiten bei der Charaktererschaffung betraf. Darum wird es für das neue Spiel diesbezüglich viel mehr Eingriffsmöglichkeiten geben. So haben unsere technischen Gamedesigner den Expertenmodus, in dem der Spieler auch die Vor- und Nachteile für seinen Charakter selbst definieren kann, ausführlich überarbeitet und neu balanciert. Zum Beispiel waren beim ersten Teil von Drakensang die Vor- und Nachteile noch von vornherein vollkommen festgelegt. Jetzt könnt ihr sie selbst auswählen. Sie verändern euer Generierungskonto, so wie es das Rollenspielsystem eigentlich vorsieht. Aber das ist komplett optional. Es gibt immer noch, wie schon beim ersten Teil, fertige Archetypen, die ihr auswählen und mit denen ihr einfach losspielen könnt. Nur jetzt trägt der Expertenmodus seinen Namen zu Recht und lässt euch die Wahl: Wenn ihr wollt, könnt ihr auf ihn umschalten und viel mehr Werte verändern als zuvor.

Dass unsere technischen Gamedesigner all diese Verbesserungen im zweiten Teil vornehmen können, verdanken auch sie zu einem großen Teil dem Umstand, dass an der Entwicklung von „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ ein eingespieltes Team arbeitet. Alle Abteilungen wissen jetzt durch die Bank weg wo es Schwierigkeiten geben könnte und wo die Stärken und die Schwachstellen der einzelnen Leute liegen. Dadurch kann der Arbeitsablauf, der im ersten Spiel noch etwas holprig war, viel reibungsloser vonstatten gehen. Änderungen in der Spielmechanik – nicht zuletzt der Erschaffungsmodus - ziehen eine Menge Änderungen in der Codebasis des Spieles nach sich. Hier kommen wieder unsere Programmierer ins Spiel, mit denen wir während der Implementierung der Spielmechanik sehr eng zusammen arbeiteten.

Für unser technisches Gamedesign spielt, wie schon gesagt, eine nicht unwesentliche Rolle, dass das technische Grundgerüst steht, denn dafür geht in jedem ersten Teil wahnsinnig viel Zeit verloren. Diese Zeit kann jetzt in all die kleinen und großen Verbesserungen und Verfeinerungen investiert werden. Neben wesentlich mehr Freiräumen bei der Charaktererschaffung und optischen Verfeinerungen wird es im neuen Spiel zum Beispiel zusätzlich sogenannte „rassenspezifische Skripte“ geben. Die Archetypen bekommen unter anderem Waffen, die auf ihre Stärken bzw. Schwächen zugeschnitten sind. Wenn dann zum Beispiel ein Thorwaler seine mächtige Axt benutzt, wird er dafür einen Zusatzbonus erhalten. Auch wird er dementsprechend am besten mit dieser Axt umgehen können und Kraft aus ihr schöpfen.

Zu den Neuerungen bei „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ zählen auch viele kleine Rezepte, wie man Dinge umfunktionieren bzw. ausbauen kann, die auf den ersten Blick nutzlos erscheinen mögen. Darum unser Tipp: Verkauft nicht gleich alles, was euch in die Hände gerät, denn es könnte sich noch als nützlich erweisen!

Wenn ihr euch also auf Zeitreise an unserem Fluss der Zeit entlang begebt, haltet unbedingt immer die Augen offen! Nicht nur, weil es viele schöne Dinge zu sehen gibt, sondern weil es auch viel für euch zu entdecken gilt.

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geschrieben von Torgan